Nestlé Waters, ein Tochterunternehmen des Lebensmittelkonzerns Nestlé, möchte auf dem afrikanischen Kontinent Fuß fassen und ist dafür 2016 ein Joint Venture mit dem äthiopischen Unternehmen „Great Abyssinia Spring Waters“ (GASW) eingegangen.
Im französischen Vittel liegt dichter Nebel über der Abfüllanlage des gleichnamigen Mineralwassers, drinnen sortieren große Roboterarme die schweren Sixpacks mit dem edlen Nass. Solch ein Sixpack kostet 5,50€, umgerechnet 61 cent pro Liter. Das gleiche Wasser kommt hier in Vittel aus jedem Wasserhahn. Der Konzern sah sich jahrelang Vorwürfen ausgesetzt, er übernutze die Quellen zulasten der Bevölkerung. Der Schutz der Quellen liegt hier, wie auch andernorts, im Interesse des Konzerns. Weswegen zum Beispiel ein örtlicher Golfplatz finanzielle Unterstützung bekommt, um das satte Grün ohne Pestizide zu pflegen.
Nestlé musste im Januar 2024 einräumen, dass man jahrelang illegale Reinigungsmethoden für natürliches Mineralwasser verwendet habe: In
Frankreich setzte das Unternehmen bis 2022 Behandlungen mit
Ultraviolettstrahlung oder Aktivkohlefiltern ein. Auch in Henniez in der Schweiz, wo Nestlé ebenfalls Wasser abfüllt, wurden Aktivkohlefilter verwendet.
Einmal im Jahr lädt Nestle seine Aktionäre zur Generalversammlung nach Lausanne am Genfer See ins Kongresszentrum. Die Zahlen für 2018 sind gut. Verwaltungsratschef Paul Bulcke verkündet stolz: Gewinn je Aktie: 3,36 Schweizer Franken. Dividende je Aktie: 2,45 Schweizer Franken, so hoch wie nie. Es ist die 24. Dividendenerhöhung in Folge. Die Aktionäre im Saal klatschen und lächeln. Sie hören von Zukäufen, von 1500 neuen Produkten, die Nestle in der Pipeline habe und davon, dass im Jahr 2050 über zehn Milliarden Menschen auf dem Planeten leben werden. Verwaltungsratschef Paul Bulcke sagt in seiner Rede: „Wir sehen darin eine Quelle für Wertschöpfung.“
Nach der Veranstaltung beginnt in einem Nebenraum der Kampf um das Buffet, die gut betuchten Anleger haben Hunger mitgebracht. Wer es schnell genug aus dem Saal schaffte, beteiligt sich daran, die kalten Platten in kürzester Zeit leer zu räumen.
Äthiopien gilt mit 123 Millionen Menschen und einem Durchschnittsalter von unter 20 Jahren als neuer Wachstumsstar in Afrika. Von der Hauptstadt Addis Abeba zur Fabrik sind es nur 30 Kilometer, aber auf dem Weg gibt es dauernd Staus, Esel, Pferde und altersschwache Autos, umgestürzte Lastwagen blockieren immer wieder den Verkehr. Nach zwei Stunden Fahrt kommt Sululta in Sicht. Eine Armutssiedlung mit schätzungsweise 200 000 Menschen, die an der Hauptstraße entlangwuchert. Sululta liegt auf 2600 Meter in einem Hochtal, rundherum erheben sich die grünen Hügel Afrikas.
Hier mangelt es nicht an Wasser. Mit 1200 Millimeter Niederschlag im Jahr fällt mehr Regen als in Hamburg. Aber im ganzen Land fehlt trotzdem sauberes und sicheres Trinkwasser. Es gibt kein funktionierendes Leitungsnetz. Wer es sich leisten kann, kauft Wasser in Plastikflaschen und lässt sich das Brauchwasser zum Waschen oder putzen mit dem Pferdekarren liefern.
Der Schweizer Konzern wollte eines der jüngsten und wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Länder des Kontinents für Wasser in Plastikflaschen begeistern, hat jedoch 2020 51% der Anteile wieder an GASW verkauft.
Fotografiert für den Stern, verfügbar bei laif.